Denn Liebe ist stark wie der Tod. Lianes Geschichte

von Andersdenkende
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Hallo ihr Lieben,

ich musste mich lange dazu durchringen, euch diesen Beitrag zu schreiben, und jetzt noch einmal, ihn zu posten.
Ich bin in der Zeit, in der ich hier war, schon ein paar Mal gefragt worden, was meine Beweggründe dafür sind, in diesem Forum zu posten. Julia hat mich vor paar Tagen danach gefragt, einige von euch haben es schon vorher getan.

Es gibt mehrere kleine und drei große Gründe. Die kleineren Gründe: Ich habe, wie so viele hier, den Focus-Artikel gelesen und aus Neugier die Seite angesurft. Nach dem ersten ungläubigen Lesen war ich geschockt von den Schicksalen, und viele von euch haben mir sehr, sehr leid getan. Ich habe die Angriffe von außen mitgekriegt und eure Versuche, irgendwie damit umzugehen, euch zu rechtfertigen, zu argumentieren. Das alles hat dann schließlich dazu geführt, dass ich mich irgendwann zu Wort gemeldet habe.

Die drei großen Gründe:
Nr. 1 habe ich euch schon genannt, ich bin Genervte, genervt von den Möchtegerngeigern und den schlappen Lügen, mit denen eine bestimmte Sorte gebundener Männer es immer wieder versucht, eine willige Geliebte an Land zu ziehen. Und dass es leider immer wieder Frauen gibt, die ihnen glauben. Grund Nr. 2 ist meine Freundin Liane, ihre Geschichte schreibe ich euch heute auf - Grund Nr. 3 werde ich wohl für mich behalten.

Ich lasse all die lieb gewonnenen Kleinigkeiten weg, die Demarkationslinie, die ironischen Seitenhiebe, die Post, denn das hier ist keine wilde Geschichte, sondern eine sehr tragische.
Wer von euch gerade in einer Phase ist, in der es ihm selbst sehr schlecht geht, sollte jetzt vielleicht erst einmal aufhören zu lesen, und diesen Beitrag für eine starke Stunde aufheben. Ich will euch nicht runterziehen und ich will euch keine Angst machen, und ich schicke vorweg, dass die Geschichte von Liane ein Extremfall ist und ihr Schicksal nichts, was jeden treffen wird. Ich denke nur, dass es wichtig ist, sie euch nicht vorzuenthalten. Und ich glaube, dass diese Geschichte insbesondere für jene unter euch sehr wichtig ist, die schon seit längerem mit ihrer Situation unglücklich sind; die das Gefühl haben, in einer Beziehung zu stecken, in der sie sich selbst zerstören, die es aber trotz dieses Wissens nicht schaffen, sich zu befreien.

Liane und ich kennen uns seit Beginn des Studiums, also seit fast zehn Jahren.
Ich habe sie schon mal am Rande in den „Wilden Geschichten“ erwähnt, sie war die Freundin, mit der zusammen ich bei der Agentur gearbeitet habe.

Liane war ein klasse Mädchen. Sie verfügte über die seltene Kombination, schön, klug und nett zugleich zu sein. Warum sie trotzdem irgendwie manchmal Probleme mit sich selbst hatte, war von außen nicht so richtig nachvollziehbar. Sie fand sich zum Beispiel selbst nicht schön – geradezu lachhaft. Die bei der Agentur hätten sie ja gar nicht genommen, wenn das der Fall gewesen wäre. Sie war groß, schlank, hatte faszinierende grüne Augen und Haare, fast so lang wie meine, in einem hinreißenden natürlichen Rotblond.
Sie kam toll an bei den Leuten, und es gab immer viele Männer, die sich für sie interessierten.
Ich konnte nie so recht verstehen, warum sie psychisch manchmal etwas instabil war und Schwierigkeiten damit hatte, sich selbst anzunehmen. Ich muss aber erwähnen, dass es so war, denn sonst ist das Bild von Lianes Persönlichkeit nicht komplett und man macht vielleicht – so wie ich oft – den Fehler, die alleinige Schuld für das Folgende jemand anderem zuzuweisen.

Wir hatten gleichzeitig mit dem Studium angefangen, trafen uns häufig, unternahmen viel zusammen und wurden Freundinnen.
So war ich auch immer bestens informiert über Lianes Liebesleben, die trotz ihrer vielen netten Verehrer ein großes Talent darin besaß, sich in die falschen Männer zu verlieben. Ihre Männer waren entweder anderweitig verheiratet („Ich verliebe mich immer in Kranke, immer in solche, die an ‚ringförmiger Metallauswucherung’ leiden!“ klagte Liane – mit ‚ringförmiger Metallauswucherung’ war der Ehering gemeint), oder sie kamen aus einem Land von der anderen Seite des Erdballs. Einmal war es auch ein Strafgefangener gewesen, der in der JVA einsaß und dem sie Briefe geschrieben hatte.
Allen diesen Männern war gemeinsam, daß Liane sie nicht haben konnte, und gerade das schien einen unglaublichen Reiz auf sie auszuüben, denn für all die netten, freien Männer, die um sie warben, zeigte sie nicht einen Funken Interesse, sondern behandelte sie teilweise sogar ziemlich schlecht.
Sie selbst jedoch litt in regelmäßigen Abständen an fürchterlichstem Liebeskummer, wenn es mal wieder mit einem ihrer verheirateten Freunde vorbei war.
Martin, ein gemeinsamer Freund, meinte offen zu Liane, sie hätte wohl ein Problem mit der Bindungsfähigkeit, und sie solle sich mal überlegen, ob sie nicht eine Therapie machen wolle. Liane hatte, da es ihr gerade ziemlich schlecht ging, diesen Vorschlag tatsächlich angenommen und eine Therapie angefangen, sie blieb aber nach ein paar Sitzungen wieder weg, weil sie es unangenehm fand, in ihrem „Innenleben herumzustochern“, wie sie es nannte.

Die ersten paar Semester waren ins Land gezogen, Lianes Liebesleben war mal auf-, mal abwärts gegangen, dann traf sie IHN. Ich gebe ihm hier keinen Namen, weil ich der Meinung bin, dass er keinen verdient. Ich weiß, dass das hart klingt, aber ich kann nicht anders. Ihr werdet Verständnis dafür haben.
Er war Geschäftsmann, Mitte 50, gut aussehend und welterfahren. Er war verheiratet, hatte Kinder. Seine Familie lebte jedoch größtenteils im Ausland, er war immer für einige Wochen hier.

Die Beziehung begann harmlos, freundschaftlich. Liane und er verstanden sich gut, trafen sich zum Reden. Er machte ihr unzählige Komplimente, sagte ihr die ganzen netten Sprüche, die ihr in meinem Posting „Ehefrauen sind Erbkrankheiten“ nachlesen könnt. Sie würde ihn inspirieren, sie würde ihm ein neues Leben schenken. Es sei beileibe nicht so, dass er nur das eine von ihr wolle, nein, es reiche ihm, ihr Freund zu sein und in ihrer Nähe sein zu dürfen. Er habe noch nie einen Menschen wie sie getroffen, sie sei etwas ganz Besonderes. Und so weiter und so fort.
Liane fühlte sich geschmeichelt, spielte mit der Situation, gefiel sich in der Rolle, „besser“ zu sein als die Ehefrau.
Ich habe Liane gewarnt. „Sei vorsichtig,“ riet ich ihr, „Damit du nicht in etwas reinrutschst, wo du nachher nicht mehr herauskommst.“ „Ich liebe ihn doch gar nicht!“ wehrte Liane ab, „Also soweit habe ich mich schon im Griff! Er ist doch auch viel zu alt für mich! Nein, wir sind nur befreundet, und er sagt, das reicht ihm auch.“

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Foto: Walter Dannehl  aboutpixel.de