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Neuanfang - Nach dem Betrug

Ele

Zu einer Zeit an der es mir noch richtig dreckig ging……ich war noch mit meinem Mann zusammen, wir hatten noch das Geschäft, mein Mann schwankte zwischen sich einem Bein für mich ausreißen und völlig verzweifelt sein, weil ich nur noch traurig war, nur noch litt.

Nach seinem Outing haben wir es noch knapp 1 ½ Jahre versucht……ich durchlebte Emotionen, von denen wusste ich vorher gar nicht, dass es sie gibt. Ich war sehr dünn geworden, noch 49 Kg…..Ich trank zuviel, ich dachte zuviel. Ich schleppte mich eigentlich nur durch die Tage, immer wieder durchbrochen von Höhenflügen, an denen ich dachte, wir schaffen es….dann wieder ganz unten angekommen und wieder den langen Aufstieg vor mir. So ging es sehr lange. Mein Mann war mittlerweile nervlich am Ende, ich war am Ende, von einem richtigen Leben waren wir weit entfernt. Es war ein erbärmliches Leben, nichts erinnerte mehr an unbeschwerte Tage, alles hatte einen Schatten, alles war schwer und ohne Freude.

Die Macht, von der Barbara erzählte*(siehe unten) hielt ich fest in den Händen, unbewusst, aber sie war da. Heute mit Abstand kann ich sehen, wie ich mit ihr agierte, wie ich sie einsetzte, nie mit Planung aber sie kam zum Einsatz. Denn mit dieser Macht vergaß mein Mann nie, was er getan hatte.

Abends nach Feierabend, betrank ich mich oft, nur so konnte ich schlafen. Dabei hörte ich die Musik, die ich gehört hatte, als mein Mann ohne mein Wissen seine Affäre hatte. Ich LEBTE diese Zeit….., mit jedem Lied kam mir die Erinnerung an einen Tag, an dem sie wohl dies oder das gemacht hatten. Und…dieses Lied, habe ich doch immer gehört….nur da machte mein Mann das und dies. Will erzählen, ich holte mir mit der Musik diese schreckliche Zeit der Affäre immer wieder zu mir und lebte sie aus. Dabei konnte ich heulen, dabei konnte ich hadern, da war alles so nah bei mir, wie ich es zum Leiden brauchte….und das wollte ich, ich hatte mich schon so an das Gefühl gewöhnt, dass ich gar nicht mehr anders WOLLTE.

Mein Mann schlich ab und zu in mein Zimmer und schaute mich an, hilflos, nicht wissend, was er machen könnte und ich dachte „Ja mein Lieber, da sind wir nun, alles Deine Schuld“.
Früher hatten wir nach Feierabend gekuschelt, zusammen fern gesehen, gelacht, uns den Tag erzählt, jetzt saß jeder in einem anderen Raum und wartete darauf, was die Zukunft bringen möge, die musste doch irgendwas bringen?

Sie brachte nichts, außer einem neuen Abend mit Musik und trübsinnigen Gedanken. So ging es ziemlich lange mit uns, immer mal wieder unterbrochen von einem Höhenflug, dessen Sturz mich immer wieder genau dahin brachte, wo meine Musik spielte. Tagsüber - beschäftigt - stand ich meine „Frau“, war freundlich, war lustig, war zuvorkommend zu allen Gästen, auch zu meinem Mann, ich spielte meine Rolle perfekt. Nie wäre jemand auf die Idee gekommen, dass ich spätabends in meine Welt ging.

Viele Monate später, ich saß wieder vor meinem Pc, hörte meine Musik, ließ ich mich doch tatsächlich ablenken. Ich dachte geraume Zeit nicht an das, was uns passiert ist. Als ich es bemerkte, bekam ich einen richtigen Schrecken, ich verließ hier mittlerweile altgewohnte Terrains, ich war lustig…hmmm…seltsames Gefühl…..also schnell die richtige Musik rein und mich wieder Monate zurückversetzen in diese Zeit, als Sie ES taten. Ahh…das war ein gewohntes Gefühl….

Mit der Zeit wurden die Zeiträume, in denen ich mich ablenken ließ und an anderes dachte häufiger und ich merkte, das ich mich gar nicht richtig wohl fühlte damit, obwohl es die besseren Gefühle waren. Heute mit Abstand denke ich, was sind wir für seltsame Wesen, dass es Zeiten gibt, an denen die schlechten Gefühle, als die besser lebbaren angesehen werden.

Ich begab mich auf ungewohntes Gebiet, die alte Traurigkeit, die kannte ich, die hatte ich sooo lange gelebt, dieses neue Gefühl, hmmm..da war doch früher mal was…aber nein…lieber auf gewohntem Gebiet bleiben. Je trauriger ich war, umso mehr Macht hatte ich. Das musste ich eigentlich gar nicht so ausleben, mein Mann und ich kannten uns lange genug, um zu wissen, wie es dem anderen ging und solange es mir schlecht geht – oder anderes gesagt, solange es mir nicht richtig gut ging, hatte ich die Macht….über ihn…..er wehrte sich dagegen nicht, die Macht war zu groß, ließ ihn immer erinnern, warum wir da waren, wo wir standen und nicht weitergehen konnten.

Es hat sehr lange gedauert, bis ich diesen Kreislauf durchbrechen konnte, bis die Musik und die damit verbundenen Bilder keine Macht mehr über mich hatten. Heute weiß ich, dass ich mir nur selber geschadet habe. Ich habe mich selber fertig gemacht mit diesem „gewohnten Gefühl“. Heute kann ich auch DIESE Musik wieder hören, aber manchmal, an schlechten Tagen, merke ich, wie groß die Macht von ihr ist, da schleicht sich immer noch manchmal ein ungutes Gefühl ein. Dann stelle ich sie aus, die damit verbundenen Erinnerungen sollen nie wieder IHRE Macht über mich bekommen, sowie ich nie wieder Macht über andere Menschen haben möchte, indem ich sie manipuliere. Denn genau das habe ich gemacht, wenn auch unbewusst, aber dies konnte nur geschehen, weil ich mich nicht traute, weiterzugehen. Weil ich mein Leiden pflegen wollte und dies auch tat über einen langen Zeitraum, ich war in meinem schon einmal beschriebenen Selbstmitleidsraum gefangen.., weil ich die Tür selber zuschlug. Heute geh ich –ganz selten- auch noch manchmal da rein, aber ich freue mich, dass die Tür nicht zu ist und ich die Möglichkeit habe, auch andere Räume zu betreten.

Vielleicht findet sich ja der eine oder andere in meiner Geschichte wieder, bestimmt mit anderen Eckpunkten, aber gefühlsmäßig. Wenn nicht wirklich der Wille da ist, JETZT etwas anderes leben zu wollen, geht dieses Gefühl von Traurigkeit nicht wieder weg. Es ist ein Trugschluss, dass allein die Zeit alles heilt, die Zeit ist ein guter Freund dabei, aber auch sie braucht die Hilfe in Form von Eigeninitiative. Und dafür war dieses Forum immer eine gute Motivation.
Liebe Elegrüße

 

*Auszug aus dem angesprochenen Posting von Barbara:
Es sind hier einige Mitglieder, die sich mit Händen und Füßen und lauten Worten gegen alles wehren, was ihnen Hilfe anbietet .... Manchmal habe ich bei einigen Postings den Eindruck, hier WILL gar keine Besserung erreicht werden, weil man dann Schritt für Schritt ins Leben zurück kehrt und dann eines aus der Hand gibt: die Macht! ... Die Macht des Leidenden .... die Macht die der Verletzte über den "Täter" hat .... die Macht, die ihn in den Schuldkerker sperrt und die dem "Opfer" alle Handhabe gibt, den Täter zu bestrafen .... nur so lange man leidet, wird man diese "Macht des personifizierten schlechten Gewissens" über den anderen haben.... also will man aus dieser Rolle auch nicht raus.....

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Foto: Foto:  juliaxil www.istockphoto.com