Der häufigste Affärentyp

(Gastbeitrag von  Janett Menzel, Autorin)[Werbung]


Gibt es nur die eine Form einer Affäre, die so und nicht anders, allen heimlichen Geliebten widerfahren? Gleichen sich die Personen, die Affären beginnen, obwohl sie gebunden sind? Sind sie ein bestimmter Typ Mensch, Mann bzw. Frau? Diese Fragen sind nicht unberechtigt, werden doch Menschen, die Affären haben, grundsätzlich von der Paarforschung und sogar von der Psychologie in einen Topf geworfen. Statt sich individuelle Persönlichkeiten, Erlebtes und erlernte Muster anzusehen, galt es bislang als ausschließlich interessant, weshalb Menschen fremdgehen und eine heimliche Affäre beginnen.

Die verschiedenen Affären

Doch es gibt einige Betrachtungen zu Fremdgängern, die ebenso die Art der Untreue näher beleuchten. So kategorisierte die US-Scheidungsexpertin Cathy Meyer fünf Typen. Einigen von Meyers Erkenntnissen stimme ich zu, wobei ich sie differenzierter sehe. Ich konnte durch die Erfahrungen meiner KlientInnen und GesprächspartnerInnen, sowie meinen eigenen, insgesamt sieben verschiedene Formen von Affären, Affärenpartnern und heimlichen Geliebten feststellen.

Die Affärenform, die ich am häufigsten wahrnahm, ist der

Typ 2: Die „Rette mich, wer kann!“-Affäre

Nicht allein mit seiner Enttäuschung über das Leben, die Liebe und Beziehungen sein zu wollen, kennt jeder. Einige nehmen ihr Leben dann in die Hand; andere wiederum verlassen sich auf Dritte, von denen sie glauben, dass sie stärker seien oder wenigstens stark genug für zwei. Wiederum andere denken lange nach und machen erst einmal gar nichts. „Ich war als Partnerin zwar da, aber innerlich weit weg. Ich fühlte mich wie eine Beobachterin, die neben meinem Mann und mir stand und die ganze Zeit mit dem Kopf schüttelte, empört darüber, wie still ich blieb, während er unsere Beziehung den Bach heruntergehen ließ – und ich tat nichts dagegen. Aber obwohl er mich verletzte, wollte ich ihn nicht verletzen. Ich wusste ja, was für ein Schmerz das war.“

Britta begann stattdessen eine Affäre, keineswegs als bewusste Entscheidung, sondern als Handlung neuer, unbewusster Liebesgefühle, die sie in eine Affäre zu einem neuen Mann zogen. Sie dachte schlichtweg nicht über die Konsequenzen nach und kam gegen ihre Gefühle nicht an. Der Mangel in ihr war so groß, dass er sich verselbstständigte. Der besagte Schatten eines jeden Menschen.

Nur wenige sagen ihrem Partner ehrlich, offen und schonungslos, was ihnen an ihrer Partnerschaft missfällt, wie sie sich durch das Verhalten ihres Partners fühlen und mit welchen Gedanken sie herumlaufen. Sie vermeiden es, angsterfüllte Trennungen anzusprechen oder als Konsequenz zu nennen. „Ich hätte früher sagen müssen: Ich werde dich aus Respekt vor mir und meinem Leben verlassen müssen, wenn sich nichts ändert. Stattdessen rannte ich zu einem anderen Mann. Ich hatte nicht einmal ein schlechtes Gewissen. Ich hatte solange meinen Mund gehalten und all den Ärger über meine Einsamkeit in unserer Ehe heruntergeschluckt, dass es sich mit Karsten anfühlte, als hätte ich ihn verdient. Als wäre er ein Preis für all meine Mühen, still zu bleiben und lieb zu lächeln, während ich meinem Partner flüsterte: Ist nicht so schlimm, dass du mich nicht mehr liebst.“

In dieser Form einer Affäre finden wir Menschen, die aus ihrem Leben ausbrechen wollen. Die offizielle Partnerschaft steht als Synonym für ein Gefängnis. Sie haben mit ihrem Affärenpartner einen Verbündeten und Mitstreiter gefunden, mit dem sie den Ausbruch erproben. Sie fantasieren darüber, schmieden Pläne, genießen die gedanklichen Fluchtwege. Es bricht alle bisherigen Regeln, man fühlt weder Schuld noch Scham, während man sich Stück für Stück von seinem Partner heimlich ablöst – und tut nun, was man will. Man wird plötzlich zu einer Person, die es wagt, sich mehr vom Leben zu nehmen, als es der bisherige Lebensstil vorgesehen hatte. Es erinnert ein wenig an die frühe Eltern-Kind-Dynamik, in denen ein Verbot herrschte, an das man sich still und brav hielt. Bis zu dem Moment, in dem man einen Weg fand, dieses Verbot zu umgehen, ohne, dass einer der Elternteile es bemerkte. In der Transaktionsanalyse würde man von dem Skriptglaubenssatz „Ich bin böse, aber niemand darf das bemerken!“ sprechen (siehe auch „Der unbewusste Lebensplan“ - Schmale-Riedel 2016). Es fühlt sich als Kind gut an; es fühlt sich auch bei vielen Erwachsenen noch aufregend an. In jedem Fall erregt es Affären noch mehr, wenn man diesen Glaubenssatz in sich trägt.

Das alles geht nur solange gut, bis einer der Affärenpartner aus dem Spiel aussteigt und wieder beginnt, sich den Verboten und Regeln anzupassen und zu unterwerfen: indem er zu seiner Ehefrau, ihrem Ehemann, seiner Freundin oder ihrem Freund zurückgeht. Anfangs mag es noch eine Trennung mit Abwehr sein; man möchte die Affäre heute Abend nicht verlassen, will bei ihr/ihm bleiben, will nicht in das alte Leben zurück. Doch mit der Zeit gewöhnt sich das Gehirn daran und entwickelt Möglichkeiten, die leidvolle Trennung nicht fühlen zu müssen.

Sich gänzlich für die Affäre zu entscheiden, hieße nämlich, dass das Kind in uns den Eltern gesteht, was es Böses getan hat. Es nimmt die Konsequenzen in Kauf und steht das Geschimpfe, den Hausarrest und das Schweigen durch. Das machen nur wenige Kinder. Und nur wenige Erwachsene realisieren, dass sie kein Kind mehr sind. Nur wenige fällen eine erwachsene Entscheidung. Sie genießen vielmehr, dass sie etwas haben, was sie vorher nicht hatten. Sie bestrafen heimlich, auch wenn diese Form der Affäre noch nicht so drastisch als Waffe gegenüber dem offiziellen Partner anzusehen ist. Die Affärenform lebt vom Moment, vom fantasierten Ausbruch, vom Hochgefühl. Sie entlastet das sonstige, langweilige oder beschwerliche Leben. Sie ist Kompensation. Aber kaum jemand erlaubt sich den Gedanken, dass das offizielle Leben eventuell in eine falsche Richtung lief, die jederzeit korrigiert werden könnte. Kaum einer versteht seine Affäre als Signal.

Das regelmäßige Ausbrechen aus dem offiziellen Spiel kann unter Umständen den eigentlichen Kick der Affäre ausmachen. Es ist wie eine heimliche Trennung, die Tag für Tag neu erprobt wird. Nur dass der offizielle Schritt, die wirkliche Trennung vom alten Leben, ausbleibt. Viele gehen über diese Ausbrüche nicht hinaus. Sie bemerken ihre Unvollkommenheiten und Ängste. Sie wollen nicht erwischt werden, wollen nicht, dass jemand mit ihnen ins Gericht zieht, weil sie sich etwas erlauben, was der offizielle Partner verboten hat. Dann brächte man die offizielle Beziehung in Gefahr, die von ihnen durch (gespielte) Harmonie und Durchhaltevermögen gelebt wird. Nur so bekommen sie auch vom offiziellen Partner, was sie brauchen. Würden sie sich von dem trennen, wäre auch die Affäre in Gefahr. Denn beide Teile gehören verwoben zusammen. Ohne das eine, kann das andere nicht so angenehm, attraktiv, belebend und erotisch wirken. Mit den Treffen sind auch hormonelle Prozesse des Körpers verbunden. Es schüttet beispielsweise Adrenalin, Serotonin (ein Glückshormon) und Oxytocin (das Kuschel- und Bindungshormon) aus, die für das positiv Abenteuerliche und Aufregende sorgen. Beim körperlichen Akt wird zudem Dopamin, ein weiteres Glückshormon, ausgeschüttet. Je enger die Beziehung ist, desto mehr steigt die Konzentration dieser Hormone. So entstehen die Glücks- und Liebesgefühle, die sie wiederum vermissen, weil der Körper wie auf kaltem Entzug ist, wenn der Affärenpartner nicht da ist. Hinzukommt, dass sie stark entspannend wirken und so den empfundenen Stress der alltäglichen Beziehungsrealität verringern. Ist der Stresspegel geringer, vermindert sich auch unsere Angst. Der Drang nach Veränderung (die Not) ist nicht mehr groß genug.

Der Hormoncocktail führt also dazu, dass wir uns wohlfühlen, aufgehoben und glücklich. Denn unser Gehirn merkt sich die Klaviatur: Es prägt sich die Ausschüttung der Hormone in Verbindung mit den Treffen ein, so wie es sich auch die sexuelle Versöhnung nach heftigen Auseinandersetzungen, längeren Abwesenheiten, Wiederzusammenkommen in On-Off-Affären merkt. Es registriert: Es folgt kurzzeitiges, starkes Glück nach mehr oder minder großen, emotionalen Schmerzen. Geliebte müssen sich bei dieser Affärenform merken, dass die Heimlichkeit und Erprobung essentielle Teile der Affäre sind. Dass du an der Stelle des offiziellen Partners sitzen könntest, aus Liebe und dem Wunsch nach dauerhaftem Zusammensein, ist nicht zwingend ausschlaggebend. Wieso?

Dein Affärenpartner möchte lernen, sich zu trennen, Auszeiten für sich zu nehmen, keine Rücksicht auf seinen offiziellen Partner zu nehmen, sich auch einmal egoistisch zu benehmen, statt stets fürsorglich oder bedächtig. Dieser Affärentyp lebt davon, dass er zwei Schritte machen kann, ohne den dritten gehen zu müssen. Er testet sich auf sicherem Terrain aus. Leider stellt er auch oft fest, dass er die Klausur nicht bestehen würde oder aber für die Überwindung seiner Angst keine Kraft investieren möchte.

Da es hier nur um die Fluchtmöglichkeit an sich geht (die bist zum einen du und zum zweiten die Affäre an sich), tun diese Affärenpartner oftmals nur, was ihnen leichtfällt, während sie das Unangenehme ablehnen. Sie sind nur selten bereit, den letzten Schritt zu gehen. Aber sie proben bereits, wie ein Leben außerhalb ihres offiziellen aussehen und sich anfühlen würde. Nicht selten stellen sie fest, dass sie plötzlich etwas können, was sie in ihrer eigentlichen Beziehung nicht können. Eine Gesprächspartnerin traute sich in ihrer Affäre sexuelle Praktiken zu, die sie bei ihrem Ehemann vehement verneinte. Ein anderer Gesprächspartner überwand seine sozialen Ängste. Heimliche Geliebte müssen bei diesem Typ meist sehr lang durchhalten und dem Affärenpartner stets zeigen, dass sie nicht sein Wasserbrunnen in der Wüste sind, sondern Menschen, die unter seinen Verlust- und Trennungsängsten massiv leiden. Deshalb finden wir bei dieser Form auch viele On-Off-Affären und nicht selten heftige Diskussionen um die Zukunft. Wenn sich die heimlichen Geliebten zurückziehen, aus Schmerz und Hoffnungslosigkeit, trifft es den Affärenpartner schwer. Er leidet ehrlich und offen, immerhin wurde sein Fluchtweg zugeschüttet.

Doch nur der Rückzug kann zeigen, ob die Affärenpartner bereit sind, für ihre eigenen Bedürfnisse ihre Ängste zu überwinden. Ihre Gefühle für die Geliebten reichen zwar tief und sind oft intensiver als die, die sie für ihren offiziellen Partner hegen. Doch das Verlassen verbinden sie mit etwas Traumatischem aus ihrer Vergangenheit. Oder sie haben gelernt, dass man Menschen wegen „eigenen Befindlichkeiten“ oder weil der Partner „nicht genügt“, nicht verlässt. Nicht zu genügen und deshalb verlassen oder vernachlässigt zu werden, ist ein Schmerz, den sie nur zu gut kennen. Sie wollen ihn weder selbst fühlen noch anderen zufügen.

Zum Weiterlesen:

Heimliche Liebe: Wie Geliebte ihre heimliche Affäre verstehen und überleben

(2017) 435 Seiten. Nur bei Amazon und direkt bei der Autorin als Taschenbuch und E-Book erhältlich. E-Mail: post[ät]janettmenzel.de

von J a n e t t M e n z e l

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Klappentext
Wären heimliche Affären ein Hollywoodfilm, würden alle Parteien gespannt vor dem Bildschirm sitzen. Geliebte wären gefangen in der Vorstellung, dass sie perfekt zum Fremdgänger passen, während die eigentliche Partnerin oder der eigentliche Partner es weniger tut. Sie würden der Liebesaffäre das Happy End wünschen. Die offiziellen Partner würden Geliebte als Eindringlinge und EhebrecherInnen sehen, während der Fremdgänger sich überraschen ließe, wohin das Drehbuch führt. So einen Film würden wir sogar im Kino ansehen, weil es so schön knistert, während wir auf das Happy End hoffen: Doch die Realität heimlicher Affären ist nicht selten psychisch und emotional brutal für alle Beteiligten. In ihrem Buch taucht die Autorin, selbst eine ehemalige Geliebte, ein in die verborgenen Muster, Liebes- und (Über)Lebenswelten einer Affäre, analysiert die einzelnen Seiten und gibt aufschlussreiche Erkenntnisse über den Fluch und Segen heimlicher Liebesbeziehungen.
Ein Buch für Geliebte - mit vielen Fallbeispielen und Übungen zum Erkennen und Entdecken verborgener und unbewusster Wahrheiten.


Foto Herzen: pixabay