Wie man Liebe erhältvon Andersdenkende
Teil 1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
Ich
erzähle euch mal wieder von meinem Liebsten, dem besten aller
Ehemänner ;-): Er hängt sehr an seinem Beruf, ist voller
Begeisterung bei der Sache und ständig am Arbeiten. Sogar am
Wochenende bringt er irgendwelche Akten mit nach Hause und macht
privat noch alles mögliche nebenbei. Die enthusiastische
Begeisterung, mit der er über seinen Aktenbergen brütet, vermisse
ich aber kläglich, wenn es zum Beispiel darum geht, dass er den Müll
runter bringen soll.
Und nun? Nun kann ich mich aufregen. Ich kann zornig sein und
schimpfen und toben und Streit anfangen. Oder aber ich rege mich
nicht auf und warte einfach ab. Irgendwann, spätestens, wenn er die
nächste Kaffeepause einlegt, wird er sich an meine Bitte erinnern
und den Müll dann schon runter bringen. Schließlich habe ich
gewusst, dass ich einen Workaholic heirate, und wenn ich ehrlich
bin, war doch auch gerade seine Zielstrebigkeit, seine
Ernsthaftigkeit in allen wichtigen Dingen eine der Eigenschaften,
die mich angezogen haben. Und schließlich zeigt er eben diese
Zielstrebigkeit und Ernsthaftigkeit auch in der Partnerschaft, in
allen Belangen unserer Ehe. Ist das nicht viel wichtiger als der
Müll, im wahrsten Sinne des Wortes?
Zweites Beispiel, brandaktuell, von heute:
Es ist Samstagmorgen, leichtes Nieselwetter, so richtig schön, um im Bett zu
bleiben, auszuschlafen, nachher gemütlich miteinander zu frühstücken, zu
faulenzen...
Sechs Uhr morgens, ich bin noch im Tiefschlaf, auf einmal brüllt der Wecker
los, Männe springt aus dem Bett, zieht sich an, fängt an, wild mit
Transparenten und Plakaten zu rumpeln. Ich sitze mit einem Riesenschrecken
aufrecht im Bett, dann fällt mir düster wieder ein, richtig, irgendwas war
heute, muss er nicht wieder die Wale retten gehen? Nein, halt, das war
letzten Monat, heute ist es was anderes.
Kein gemeinsames Frühstück, keine Faulenzerei, kein Kuscheln, kein
Ausschlafen, nur ein liebes Küsschen, ein nettes "Schlaf ruhig noch ein
bisschen", und dann ist Männe weg, auf dem Weg in die Fußgängerzone, Stand
aufbauen, Unterschriftensammlung gegen Menschenrechtsverletzungen im Iran.
Und ich liege hier, bin schlecht aufgewacht, einsam und habe mindestens vier
Waschladungen Wäsche vor mir, bei denen mir keiner hilft.
Und nun? - Nun hätte ich toben, schreien, zornig sein
können. Ich hätte ihm eine Szene machen können, ihm vorwerfen, dass ihm
alles andere wichtiger ist als ich, hätte die üblichen Totschlag-Sätze
aussprechen können in der Art von "IMMER machst du das, IMMER lässt du mich
alleine, NIE hast du Zeit für mich, du liebst mich NICHT, denn sonst würdest
du...". Ich hätte frustriert sein können, mich vernachlässigt fühlen können.
Was habe ich stattdessen gemacht?
Mir bewusst gemacht, dass das der Mann ist, in den ich mich verliebt habe.
Dass es diese Eigenschaften sind, für die ich ihn bewundere, sein
Engagement, seine Hilfsbereitschaft, sein Verantwortungsbewusstsein auch
gegenüber anderen. Habe mich daran erinnert, wie toll ich es immer fand,
dass ihm seine Mitmenschen nicht egal sind, dass er bereit ist, viel Energie
und Zeit in das zu stecken, woran er glaubt.
Und dass all dies Wesenszüge an ihm sind, die ich liebe.
Also habe ich erst mal noch zwei Stunden geschlafen, bin
dann gut gelaunt aufgewacht. Habe in aller Ruhe Kaffee getrunken, dazu meine
Musik gehört, die ihm nicht gefällt und die ich sonst aus Rücksicht auf ihn
beim Frühstück nicht auflege. Ich konnte mir endlich diese grauenhafte grüne
Gurkenmaske ins Gesicht schmieren, da mich nun ja keiner sieht, und ich habe
die freie Zeit genutzt, mal wieder ein Posting für euch zu schreiben - Zeit,
die ich normalerweise nicht gehabt hätte. Im Keller rumpelt gerade die
zweite Wäscheladung durch, die erste hängt schon auf der Leine.
Später werde ich ein halbes Dutzend Thermoskannen Kaffee kochen, einen
Stapel belegter Brote richten und mich auf den Weg in die Fußgängerzone
machen, meinen Liebsten und seine Mitstreiter überraschen.
Vielleicht ist mein Mann dann gerade im Gespräch mit einem unentschlossenen
Passanten, so vertieft, dass er mich nicht gleich bemerkt, und ich kann ihn
ein bisschen anschauen und beobachten dabei. Ich werde seine Begeisterung
sehen und seinen Einsatz, seine Überzeugungskraft und seinen Willen, etwas
zu bewegen. Und ich werde verdammt stolz auf ihn sein...
Mindestens einer der Mitstreiter wird mal wieder
genießerisch meinen Kaffee schlürfen, es super finden, dass ich meinem
Liebsten keinen Stress mache wegen des verlorenen Samstags, stattdessen
selbst noch vorbeikomme, er wird sehnsüchtig dreinschauen und zu meinem Mann
sagen, dass er eine tolle Frau hätte.
Mein Mann wird den Arm um mich legen und vor Stolz strahlen.
Vielleicht werde ich ein bisschen mithelfen beim Unterschriftensammeln,
werde mich mal wieder einmischen und mich unbeliebt machen bei haufenweise
vorbeieilenden Leuten. Vielleicht wird mir wieder jemand an den Kopf
knallen, das ihn das alles nicht interessiert und nicht betrifft und dass
das ein gesellschaftliches Problem der anderen ist. Und ich werde ihm dann
erklären, dass es "die anderen" nicht gibt, und dass die Gesellschaft immer
WIR sind.
- Mal schauen, wie es abgehen wird!
Jedenfalls werden wir hinterher noch den ganzen Samstagabend für uns haben,
und morgen dann einen wunderschönen Sonntag.
Und ob man nun den Samstag- oder den Sonntagmorgen im Bett verbringt,
ausschläft, faulenzt, kuschelt, frühstückt. schmust...
... das ist doch eigentlich so was von egal, oder? :-)
Alle guten Wünsche,
vergesst nicht, euer Herz anzustupsen,
damit die Schmetterlinge wieder fliegen :-)
und lest die Überschrift zu diesem Posting
ruhig in doppeltem Sinne,
so ist sie auch gedacht...;-)
Alles Liebe wünscht euch
die Andersdenkende
Teil 1 |
2 |
3 |
4 |
5 |
Foto: Sven Brentrup
aboutpixel.de
|